Poesie darf knallen. Ganz leise.

Philosophie dürfte man eigentlich nur dichten.
Ludwig van Wittgenstein

Die Dichtung muss die verschüttete Welt der Poesie bewusst machen und aufdecken, in der Hoffnung, sie wieder zur Herrschaft zu führen.
Dr. Faust, der alte Romantiker.

Die wahre Poesie muß sich ganz von der äußeren Gegenwart loslösen, sozusagen von der wirklichen Wirklichkeit. Sie darf bloß das festhalten, was dem Menschen zu allen Zeiten eigen ist: seine wesentliche Natur. Sie muß dies in individuelle Gestalten kleiden, d.h. sie muß realistische Ideale schaffen.
Otto Ludwig

Wahre Poesie beginnt, wie die echte Barmherzigkeit, im eigenen Hause. 
Charles Kingsley

Die träumerische Viertelstunde eines Poeten oder Philosophen ist oft wichtiger für die Menschheit als der Lärm einer tagelang währenden Feldschlacht.
Wilhelm Raabe

Erst in der Poesie gibt sich uns die innerste Seele einer Nation kund. – Ich möchte behaupten, daß die Nachwelt einer Nation mehr als nach ihrer Tätigkeit im Kriege, im Gewerbe und Ackerbau, nach dem schätzt, was sie in der Dichtung geleistet hat.
Adolf Friedrich Graf von Schack

Aller Poesie liegt die Idee einer höheren Weltordnung zu Grunde, die sich aber vom Verstande nie im ganzen auffassen, daher nie realisieren läßt, und von welcher nur dem Gefühl vergönnt ist, dem Gleichverborgenen in der Menschenbrust, je und dann einen Teil ahnend zu erfassen.
Franz Grillparzer

Ein echter Dichter, der erkoren,
ist immer als Naturalist geboren,
doch wird er ein roher Bursche bleiben,
kann ihm in die Wiege die Fee nicht verschreiben
zwei Gaben aus ihrem Wunderland:
Humor und feinste Künstlerhand.
Thomas Selle

Das Rauchen macht dumm. Es macht unfähig zum Denken und Dichten.
Johann Wolfgang von Goethe

Sie haben recht, Herr Splitterrichter,
Daß alle Dichter Narren sind.
Doch schließ ich ebenso geschwind:
Da Sie, mein Herr, kein Dichter sind,
So sind nicht alle Narren Dichter.
Peter Wilhelm Hensler

Stille ist der Schlüssel zur Poesie.
Klaus Ender

Cäsars Eichhörnchen

Ich denke an Gaius Julius Caesar. Er soll geschrieben haben: Von Spanien bis an den Limes könnte ein Eichhörnchen sich von Baum zu Baum hangeln, so dicht sei der Kontinent bewaldet. Als ich vor wenigen Wochen von Deutschland nach Spanien flog, sah ich die restlichen Waldflächen aus der Luft. Im Vergleich zur Fläche, die schon entwaldet waren, erschienen sie klein. In Spanien musste man den Wald regelrecht suchen. Wie viele Bäume hat der Mensch schon gefällt? Wie viel Wald hat die Menschheit schon zersägt?

In einem Mittelalter-Film fiel der Satz: "Schau dir diese Fregatte an. Man sagt, fünftausend Eichen wurden für sie gefällt."

Während einer Bahnfahrt durch das Moseltal blicke ich aus dem Fenster. Am gegenüberliegen Ufer, dem Nordhang, wächst kein Wein. Dort begleitet ein unberührter Naturwald als grünes Band den Lauf des Flusses. Er ist dicht, steht jetzt, zu Beginn des Sommers, gut im Saft. Seine Millionen Blätter flimmern und glitzern im Sonnenlicht. 

Ich denke an die felsigen Berge, die unter der grünen Decke liegen, an deren Klüffte und Kanten. Ich denke an das Unterholz der schattigen Hänge. Ich erinnere mich, wie ich als Kind quer über den Hang kletterte, über Stämme stieg, durch Dickicht kroch, viele Kurven und Umwege um Hindernisse machen musste, um an mein imaginäres Ziel zu gelangen. 

Von meiner Seite des Ufers, auf der der Zug fährt, sehe ich keine felsigen Berge. Sie sind unter dem weichen Waldteppich versteckt. Das Grün dieses Teppichs wirkt als etwas Ganzes, als etwas Geschlossenes, als wäre der Wald ein separates Element, das einfach auf diesen Hängen liegt. 

Hätte ich eine riesige Hand, würde ich über den Wald streicheln, seine sanften Rundungen erspüren, die er auf Kuppen hat, würde seine Täler bemerken, und erkennen, dass es dort kühler ist, weil die frisch Luft sich dort sammelt. An einigen herausragenden Nadelbäumen wäre es etwas rauer.

Ich würde mit meinem Daumen unten an der Kante, wo der Wald ans Wasser der Mosel reicht, die Dicke des Waldteppichs fühlen. Vielleicht würde ich auch etwas pulen, und schließlich den Teppich als Schicht von den Bergen abziehen. Übrig bliebe rauer, schroffer Stein.

Aber so, wie ich mir das vorstelle, ginge das nicht. Der Wald besteht aus einzelnen Bäumen, die ihre Wurzeln tief im Erdreich haben, so tief, dass eine Grenze, wo der Wald aufhört und das Gestein anfängt, kaum gezogen werden kann. Man sagt, was ein Baum über der Erde hat, hat er auch unter der Erde. Wie weit wurzelt der Wald in den Berg hinein? Er ist mit dem Berg verwachsen.

Bäume gelten auch als die irdischen Wesen, die Sonne und Erde direkt miteinander verbinden. Sie sind der Übergang von grober materieller Sphäre zur feinstofflich, geistigen Welt - wobei es auch hier eigentlich keine Grenze gibt, genau wie bei der Suche nach dem Anfang des Waldes im Boden.
Die Bäume sind einzelne Wesen. Jeder einzelne wächst tief und reckt seine Äste zur Sonne. Untereinander konkurrieren sie ein wenig um das beste Licht von oben, aber ihre Gemeinsamkeit stellen sie nie in Frage. 

Ohne die anderen Bäume stünde ein einzelner nicht im Wald. Alleine könnte er keinem Reh Versteck bieten, alleine könnte er im Sommer nur ein wenig Schatten spenden, aber keine Kühlung, alleine würde ein Baum das bunte Leben, das sich im Wald abspielt, nicht erleben können. Ohne Wald, ohne die Gemeinschaft der Bäume gäbe es die Waldsphäre nicht. Der Wald als Singularität besteht allein aus der Gesamtheit einzelner Wesenheiten. 

Was mögen es für Bäume sein, die dort an den Hängen wachsen? Sie ähneln sich alle, und sind doch so unterschiedlich, dass wir ihnen Namen gegeben haben. Die knorrige, stolze Eiche. Die hohe, elegante Esche. Die helle, neugierige Birke.

Ich mag unseren Wald und respektiere ihn. Ich bin bereit ihn zu schützen. Ich respektiere jeden einzelne Baum. Ich liebe Bäume und Wald. Auch wenn ich mit dieser Einsicht nicht noch einmal nach Spanien fliegen darf - und ihn nie wieder von oben sehen werde.

Nachtrag

Es stand mit dem europäischen Wald schon schlechter. Bilder aus Spiegel-Artikel über Europas Wald.







Glaubensbekenntnisse

Das apostolische Glaubensbekenntnis

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige katholische(rk.)/christliche(ev.) Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen.

Vater unser

Das ökumenische Vaterunser, 1970

Vater unser im Himmel!
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Unsere Seele ist ein Vorgarten

Nehmen wir an, unsere Seele ist ein kleiner Vorgarten vor einem kleinen Haus. Ich meine, dort muss das Gras nicht jede Woche mit der Nagelschere geschnitten werden. Es muss nicht jedes modrige Blatt mit Fingerspitzen aufgesammelt werden, als wäre es Giftmüll. Ich meine, der kleine Vorgarten darf wachsen und gedeihen, fast ganz so wie er möchte.

Der Garten wird anfangs auf frischer Erde gesät. Im Laufe der Jahre würde ein Dschungel voller Nischen und Verstecke enstehen. Tiere würden sich ansiedeln. Darunter tausende von Ameisen, die mithelfen, den Stoffkreislauf in Betrieb zu halten. Alle Vögel, Schnecken, Mäuse und Läuse würden Erde bewegen, Pflanzen essen und Samen pflanzen. Ohne planerischen Eingriff würde der kleine Vorgarten ein reiches Biotop werden. Er würde funktionieren, das Leben ihn regeln - ganz einfach und in unvorstellbar komplexen Zusammenhängen.

Grundlagen der Grundlagenbildung

Vor ungefähr 200 Jahren, im Februar 1809, trat Wilhelm von Humboldt seinen neuen Job als preußischer Kultusminister an. Das ist lange her, dennoch fällt Humboldts Name in jeder bildungspolitischen Debatte in diesem Land. Das liegt an einer gängige Formel für das, was wir heute von den Absolventen unserer Schulen erwarten: Sie müssen das Lernen des Lernens lernen.

Öffentlichte Bildungsräume?!


"Öffentliche Erziehung scheint mir ganz außerhalb der Schranken zu liegen, in welchen der Staat seine Wirksamkeit entfalten muss."
Wilhelm von Humboldt

Es war Wilhelm Humboldt, der als erster deutlich zu machen versuchte, dass Bildung als öffentliche Aufgabe zu verstehen ist - nicht jedoch als staatliche. Für ihn war Bildung keine Veranstaltung für das Volk, um Staatsbürger zu erziehen, sondern das eigentliche Initiativ- und Selbstbesinnungsfeld der Gesellschaft.

Deshalb wollte er die durch ihn begründete Universität in Berlin auch in "pekuniärer Hinsicht", das heißt finanzell, der unimittelbaren Verantwortung der Bürger übergeben. Selbstverständlich - und das sah Humboldt sehr klar - ist diese mündige und freiheitliche Bildungsorientierung nur möglich, wenn wir zunehmend auch wirtschaftlich solidarisch, also in gemeinschaftlichen Zusammenhängen, zu denken beginnen.

Wo durch freie Zusammenschlüsse gesellschaftliche Bereiche aus bloß privater und wirtschaftlicher Nutzung gelöst und für Bildungsprozesse geöffnet werden, können lebensvoll-öffentliche Bildungsräume entstehen. So wird eine wirkliche Chancengleichheit ermöglicht - sind doch sogenannte "bildungsferne Schichten" kein Naturereignis, sondern die Folge unseres zentralistisierten Bildungssystems, das mit seinen Selektionsmechanismen individuelle Entwicklungswege unterbindet.

Nicht durch abfragbares Wissen, das im Hinblick auf Musterlösungen zentraler Prüfungen auswendig gelernt wird, sondern durch Vielfalt individueller Fähigkeiten und das Verantwortungsbewusstsein Einzelner entwickelt sich eine mündige Gesellschaft.

Konrad Schily fodert in seinem Buch "Der staatlich bewirtschaftete Geist" in diesem Sinne einen Rückzug des Staates aus der Verwaltung der Bildung. "Das wird die Menschen ermutigen, die für das Land, für die Menschen etwas bewegen wollen."

CLARA STEINKELLER, Bank Spiegel - Das Magazin der GLS Bank, Ausgabe 2/2014 Heft 221, Seite 25

Der Traumstein

Nach vielen gleichen Tagen brach ich eines Abends auf, um meine Stadt zu verlassen. Viele Stunden war ich unterwegs. Viele Tage. Die Landschaften zogen an mir vorbei und veränderten sich. Ihre Hügel wurden höher, verschwanden mal ganz. Die Wälder wurden lichter, dann wieder dunkler. Ich reiste durch Nacht und bei Tag. Mein Ziel war eine andere Stadt.

Viele Mérci 2014.

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Vielen Dank für die Wolken.
Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel.
Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn und für allerhand andre verborgene Organe, für die Luft, und natürlich den Bordeaux.
Herzlichen Dank dafür, dass mir das Feuerzeug nicht ausgeht, und die Begierde, und das Bedauern, das inständige Bedauern.
Vielen Dank für die vier Jahreszeiten, für die Zahl e und für das Koffein, und natürlich für die Erdbeeren auf dem Teller, gemalt von Chardin, sowie für den Schlaf, für den Schlaf ganz besonders, und, damit ich es nicht vergesse, für den Anfang und das Ende und die paar Minuten dazwischen inständigen Dank, meinetwegen für die Wühlmäuse draussen im Garten auch.

Hans Magnus Enzensberger