Beim Mittagsschlaf gestorben

Gestern Mittag gönnte ich mir seit langem mal wieder ein Mittagsschläfchen. Ich legte mich mit vollem Bauch einfach auf das Sofa. Schön auf die linke Seite. Meinen Kopf bettete ich auf ein rotes Kissen. Mein Blick ging Richtung Couchtisch, der auf Gesichtshöhe vor mir stand. Ich sah ihn von schräg unten schief im Raum stehen. Dann senkten sich auch schon meine Lider, ich holte noch einmal tief Luft und schlief ein. Und irgendwann viel später wachte ich richtig verpennt wieder auf.
Ich machte die Augen auf, sah den Tisch schief an und wunderte mich, wie schräg der in der Landschaft hing. Langsam wurde mir meine Perspektive bewusst, ich schmunzelte in mich hinein und setzte mich auf. Dann ging ich in die Küche und traf dort meine Mitbewohnerin. Sie aß Rösti mit Apfelmus und ich machte große Augen während mir das Wasser im Mund zusammenlief. Wir plauderten ein wenig und freuten uns über die Sonne. Dann zuckte ich leicht und öffnete die Augen.
Was ich sah, erkannte ich erst nicht sofort. Dann dämmerte es: Ich sah wieder meinen Couchtisch von schräg unten. Aha, dachte ich, ich hatte also geträumt. Ich schmunzelte erneut. Der Tisch war einfach so seltsam schräg mitten in meiner Optik. Dann stand ich auf, ging fix ins Bad, warf mir Wasser ins Gesicht, schnappte meinen Schlüssel und sprang kurz darauf in die Straßenbahn. In der Kneipe warteten meine Jungs und das Pils perlte wie im Frühling. Schon wollte ich den dritten Tequila hinunterstürzen, da rüttelte es mich und ich sah schon wieder den schrägen Couchtisch.
Was zum Teufel?! Diesmal starb das Schmunzeln in Verwirrung. Alter, dachte ich bei mir, jetzt reicht es aber. Ich schüttelte mir die Müdigkeit aus dem Kopf, rieb mir die Augen und sagte mir: Los Junge, aufstehen! Ich setzte mich also mal wieder auf und war plötzlich in einer Lounge eines Hotels. Gerade wollte ich die Tochter des Hotelmanagers, dessen Job ich morgen übernehmen würde, verführen, als ich erschrak und die Augen aufriss: Heilige Scheiße! Schon wieder sah ich dieses verdammt Holzbein und die Unterseite des Tisches.
Ich hatte also schon wieder geträumt. Aber jetzt war ich wach. Oder schlief ich noch immer? Ich strengte meinen Geist an und kam zu folgenden Überlegungen: Ja, ich war wach. Ich konnte schließlich denken. Ich spürte auch eine Verbindung zu meinem Körper. Mein Körper war da. Wirklich. Aber ich wollte alle Zweifel ausräumen und checken, ob die Realität real war: Ich hob also meinen Arm an, streckte die Müdigkeit aus ihm und griff zum Tisch. Und bekam Panik.
Ich hatte den Arm angehoben, voll bewusst, ich hatte sein Gewicht gespürt und die Schlafträgheit wahrgenommen. Aber als ich zum Tisch greifen, den Arm in mein Blickfeld bewegen wollte, tauchte er nicht auf. Ich spürte meinen Arm von einer Seite durch die Luft Richtung Tisch wandern. Ganz sicher. Aber ich konnte ihn nicht sehen. Er war nicht da. Also bewegte er sich logischerweise auch nicht.
Ich bebte spürbar – aber wahrscheinlich nur im Traum. Meine Atmung wurde schneller. Ich blickte umher - nur mit den Augen - und ja: Ich wusste nicht einmal wo ich war. Ich entdeckte eine weiße Tür. Aber ich hatte keine Ahnung wer dort in das Zimmer herein kommen würde, wenn ich um Hilfe schreien würde. Ja. Um Hilfe schreien. Danach war mir. Schließlich war hier irgendwas nicht Ok. Ich holte Luft. Tief. Um richtig laut zu schreien. Und ich schrie richtig laut. Aber ich hörte nichts. Das einzige was ich hörte war ein Rauschen. Verdammt! Was war da los? Ich konnte alles sehen, hören, meinen Körper spüren, aber verdammt noch mal nicht bewegen.
Ich war gefangen. Mein Geist hatte die Verbindung zu meinem Körper verloren. Ich dachte immer an eine Schnur von meinem Hirn in meinen Körper, die die Steuersignale weiterleitet. Aber scheiße. Die war wohl gerissen. Alles was ich spürte, war offenbar nur die Fantasie elektischer Impulse. Dann war es mir klar: Ich war tot. Ja. Ganz sicher. Heilige Scheiße. Ich war einfach gestorben. Ogott.
Aber mein Bewusstsein war noch da. Also war ich querschnittsgelähmt, oder was? Die würden mich lebendig begraben oder vielleicht würde ich an Maschinen angeschlossen werden. Falls mich jemand finden würde. Nein, Mann. Ich war mir sicher. Ich war verdammt nochmal tot. Total mausetot. Hier auf meiner Couch gerade gestorben. Mein Geist war noch im Körper. Und gleich würde ich meinen Körper verlassen und schön von oben auf den leblosen Leib hinablicken.
Aber nein. Es machte ZANG! Ich bebte und setzte mich auf. Dann kam ich so langsam klar. Und jetzt bin ich hier und das ist kein Traum. Mann! Nahtoderfahrung oder wasweißich. Auf jeden Fall krasse Scheiße. Das werde ich so schnell nicht vergessen.

Mein Dom

Nur wenige Meter fehlen und ich könnte meine Hand an seine alte, raue Haut legen. Um seine Spitzen zu sehen, muss ich den Kopf in den Nacken legen und die Augen zusammenkneifen. Seine Türme scheinen zu schwanken, dabei ziehen nur die Wolken darüber hinweg. Er macht mich jung und klein – der Kölner Dom.

Das riesige Bauwerk steht mitten in der Stadt neben dem Bahnhof. Neben der pulsierenden Station ist er ein Relikt der Ruhe mit einer langen Geschichte, mit der Gelassenheit eines Greises. Im Vergleich zu modernen Glasbauten und Stahlkonstruktionen wirkt das rohe Gemäuer der Kirche alt und fremd wie das Werk einer fremden Welt. Doch nicht der ganze Dom ist so alt, wie man es sich vorstellt:

Im Jahre 1248 waren die Reliquien der Heiligen Drei Könige schon einige Jahre in Köln und die kleine Kirche am Platz des heutigen Doms nicht mehr nur Amtskirche des Kölner Erzbischofs, sondern schon eine der bedeutendsten Wallfahrtskirchen Europas. Also beschloss man, die den Orte würdigende architektonische Form zu finden: Ein gotischer Dom sollte entstehen. Dem Konzept gotischer Sakralarchitektur gemäß sollten die Menschen beim Anblick des Domes die Größe Gottes und die Macht der Kirche spüren. Die Vertikalen des hohen Skeletbaus weisen Richtung Himmel, wirken elegant und erhaben. So, wie sich die Kirche selbst sah.