Film Noir

Sonntagnachmittag. Du willst einen Film schauen. Irgendeinen. Hauptsache Film. Aber was? Das ist die Frage. Jetzt hast du genau zwei Möglichkeiten. Erstens: Du schaust irgendeinen Film an. Oder du denkst nach, und schaust dann einen Film an. Wenn du dich von link zu link hangelst, ohne Plan zu haben und einfach nach einem unterhaltsamen und guten Film suchst, brauchst du Glück. Wenn du kein Glück hast, hast du Pech. Also schlage ich vor, du denkst. Aber was? Da drin ist alles schwarz. Da sage ich: Gut, lies folgendes:

Film noir ist ein Filmgenre. Film noir ist pessimistisch, düster und unkonventionell. Film noir ist überwältigend schwarz. Seine Helden sind entfremdete, verbitterte Charaktere. Sie sind gierig, eifersüchtig, lasterhaft und erfüllt von existenzieller Verbitterung.  Meistens geht es um Mord und dessen Aufklärung – erfolgreich oder auch nicht. Wobei mal ein Polizeikommissar, mal ein Privatdetektiv oder eine Privatperson ermitteln. In anderen Handlungen geht es um brutale Überfalle, listige Betrügereien, komplizierte Verschwörungen und um verbotene Affären. Immer gibt es korrupte Polizisten, eifersüchtige Ehemänner, unerschrockene Versicherungsangestellte und heruntergekommene Schriftsteller. Und, der Reiz, das Laster, das Feuer, die Leidenschaft, ist immer dabei. Immer gibt es sie: die Femme fatale.

Im Film noir steht jeder gegen jeden. Alle sind nur auf ihren eigenen Vorteil aus und wer anderen vertraut, hat das Nachsehen oder wird umgebracht. Aber trotz aller Gefahr sind die Antihelden schlagfertige hartgesottene Figuren. Und ihre Dialoge sind lässig und gespickt mit sexuellen Anspielungen und selbstreflektivem Humor. Typischerweise spielt der Film noir in rauen Städten, wie Los Angeles, San Francisco, New York City und Chicago. Denn die Stadt ist ein Labyrinth. Und das Labyrinth sind  Bars, Nachtclubs und Spielhöllen, heruntergekommene Fabrikhallen und einsame Straßenschluchten. Die Höhepunkte der Filme handeln oft in verfallenen, komplexen Industrieanlagen. Nicht wenige spielen bei Nacht und Regen. Aber es gibt auch bei Tag Betrug, Verführung und Verrat.

Anstatt sich auf simple Gut-und-Böse-Konstruktionen zu beschränken, baut der Film noir moralische Zwickmühlen auf. Handlungen sind ungewöhnlich und Absichten uneindeutig. Und auch die Erzählweise vieler Filme bricht mit den klassischen Konventionen des linearen Erzählens. Damals, in der Hochphase des Film noirs in den USA der 40er und 50er Jahre, waren sie neu: Rückblenden, Vorausblenden, Voice-over-Erzähler und andere verwirrende und verzerrende Techniken, die die Spannung steigern.

Robert Sklar schreibt in Movie-made America: „Das Kennzeichen des Film noir ist sein Sinn für in einer Falle sitzende Menschen – gefangen in einem Netz von Paranoia und Angst, unfähig, Schuld von Unschuld zu unterscheiden, echte Identität von falscher. Die Bösen sind anziehend und sympathisch […]. Seine Helden und Heldinnen sind schwach, verstört. Die Umwelt ist düster und verschlossen, die Schauplätze andeutungsweise bedrückend. Am Ende wird das Böse aufgedeckt, aber das Überleben der Guten bleibt unklar und zwiespältig.“

Meine Favoriten des Neo-Noir:
Watchmen – Zack Snyder (2009)
Film Noir – Jones und Topalski (2007)
Sin City – Rodriguez, Frank Miller, Tarantino (2005)
The Brick – Rian Johnson (2005)
Batman Begins – Christopher Nolan (2005)
Memento – Christopher Nolan (2005)
Fight Club – David Fincher (1999)
Payback – Brian Helgeland, Mel Gibson (1999)
Dark City – Alex Provas (1998)
Ronin – John Frankenheimer (1998)
Pulp Fiction – Quentin Tarantino (1994)
Heat – Michael Mann (1995)
Millers Crossing – Ethan und Joel Coen (1990)
Blade Runner – Ridley Scott (1982)
Chinatown – Roman Polanski (1974)
Dirty Harry – Don Siegel (1971)
Der eiskalte Engel – Jean-Pierre Melville (1967)
und der eine aus der klassischen Ära:
Die Spur des Falken – John Huston (1941)